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Alleine reisen: Was spricht dafür, was dagegen?

01.11.2017

5 min Lesezeit

Pro und Contra Alleine Reisen


Einmal die Welt auf eigene Faust erkunden. Nur etwas für männliche Backpacker um die 20? Die Zahlen sprechen längst eine andere Sprache. Laut einer Erhebung von Visa machen Frauen bereits 40% aller Solo-Reisen aus. Mit vielen hierauf zugeschnittenen Angeboten dreht sich auch in der Tourismusbranche langsam der Wind. Höchste Zeit einmal die Vor- und Nachteile des Alleinreisens ehrlich miteinander abzuwägen.


Die Vorteile des Alleinreisens


Alleinreisens


1. Keine Kompromisse eingehen

Sie sind nur sich selbst verpflichtet: Zeit und Ort sind allein Ihnen überlassen, sodass Ihnen niemand dazwischen funkt, wenn es darum geht Ihre eigenen Bedürfnisse voll und ganz zum Ausdruck zu bringen. Je grösser die Gruppe, mit der Sie unterwegs sind, desto schwieriger wird es hingegen sein einen Konsens zu finden, mit dem alle leben können. Das gilt bei weitem nicht nur für Gruppen, sondern auch für  Pärchen. Dabei muss es kein Zeichen einer sich abzeichnenden Krise sein, wenn auch Menschen in einer Partnerschaft sich dazu entschliessen, einmal alleine zu reisen. Vielmehr kann auch das den eigenen Blick auf die Beziehung schärfen und neue Impulse setzen.


2. Zeit für sich selbst finden

Wenn Sie alleine reisen, geht es nicht nur darum, wie Sie Ihre Zeit gestalten, sondern zunächst darum, dass Sie Ihnen niemand stiehlt: Unser Alltag untersteht einem permanenten Netz von Beziehungen und Informationen, sodass wir uns selbst nur allzu schnell aus dem Blick verlieren. Wer alleine reist, wird wieder lernen, in sich selbst zu horchen. Gerade die Distanz zu Freunden, Familien und Lebensstil wird uns wieder daran erinnern, welche Prioritäten jeder von uns im Leben setzen möchte.


3. Intensivere Wahrnehmung

Sicherlich sollte man das fünfte Gruppen-Selfie in Folge nicht mit innigen Gesprächen unter Freunden in eine Tonne werfen. Und doch haben beide einen gemeinsamen Nenner: Oftmals sind sich Gruppen selbst genug: Was die Dynamik und Stimmung untereinander so zwar anheben mag,  geht vielfach auf Kosten der Reiseerlebnisse. Natürlich sehen vier Augen mehr als zwei, doch alles, was Sie an unmittelbaren Kontakt mit Ihrem Reiseland verpassen, wird Ihnen Ihre Begleitung nicht in der gleichen Art zurückgeben können. Wer alleine reist, hat daher umso mehr die Möglichkeit, sich frei von Ablenkungen, auch auf die kleinen Begebenheiten am Wegesrand zu konzentrieren.


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4. An sich selbst wachsen

Wer bisher Vorbereitungen und Planungen auf eine Gruppe oder Reiseorganisation abwälzen konnte, wird im Fall des Alleinreisens lernen müssen, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Niemand nimmt anderes nimmt sich der Aufgabe an, die U-Bahn Pläne einer fremden Sprache zu entziffern, nach dem Weg zum Bahnhof zu fragen oder eine Gefahrensituation richtig einzuschätzen: Wer alleine reist, wird viel eher an seine Grenzen stossen als es in einer Gruppe oder organisierten Reise der Fall ist: Und eben darin besteht die vielleicht grösste Bereicherung: Alleine Reisen heisst nicht nur, sich selbst auszuhalten, wo zuhause jede Binnensekunde möglicher Langweile mit einem Wisch übers Handy unterbrochen wird, sondern vor allem sich der Herausforderung zu stellen, die vielleicht unentdeckten Seiten der eigene Persönlichkeit kennenzulernen.


5. Schneller in Kontakt mit anderen Reisenden und Einheimische

Ohne von einer Gruppenblase eingenommen zu werden, werden Sie automatisch viel stärker den Kontakt zu fremden Menschen suchen. Vom Smalltalk mit der Bedienung im Café bis hin zum gemeinsamen Barbesuch mit anderen Reisenden, die Sie beim Frühstücksbüffet in Ihrem Hostel aufgeschnappt haben. Doch auch wenn Sie selbst weniger extrovertiert auf den Plan treten, werden Sie hiervon profitieren können. Denn auch andere Reisende oder Einheimische werden viel eher bereitwillig auf eine Einzelperson eingehen als auf eine Gruppe.


6. Über den eigenen Schatten springen

Frei von der Beurteilung anderer zu sein, wird Sie mutiger und offen für neue Wege machen. Introvertierte werden früher oder später nicht drumherum kommen, auf fremde Menschen zuzugehen. Extrovertierte wiederum werden einsehen müssen, dass Sie sich nicht hinter eine Gruppe zurückziehen können, sofern Sie einmal über die Stränge schlagen. Über den eigenen Schatten zu springen, bedeutet jedoch weit mehr als das: Wer alleine reist, wird, wie in Punkt 3 angedeutet, auch offenere Augen und Ohren für sein Reiseland haben und somit oftmals auch einen wesentlich direkten Zugang zu den Nöten und Sorgen der Menschen finden und seine Einstellungen ggf. überdenken.


7. Fremdsprachen lernen

Klingt, profan, ist aber vielmehr als das: Mochte man sich zu Schulzeiten auch irgendwie davor drücken können, ist jetzt der Moment gekommen, an dem Sie mit der Sprache herausrücken müssen: Ob an der Imbissbude, im Bus oder sonstwo: Wenn Sie es nicht sagen, sagt’s niemand. Einen lockeren Rahmen werden Sie jedoch kaum finden können: Sie sind allein, niemand wird sich darum scheren, ob der Artikel falsch gesetzt oder ein Ton nur halb getroffen wurde. Eine Situation folgt auf die nächste. Und mit diesen steigt Ihre Sicherheit darin.


Die Nachteile des Alleinreisens


Die Nachteile des Alleinreisens


1. Sicherheit

Das vielleicht grösste Manko ist und bleibt das Thema Sicherheit. Auch unabhängig von den weltweit unterschiedlichen Gefahrenlagen ist eine Binse, dass Sie im Guten wie im Schlechten auf sich alleine gestellt sind. Dabei muss man sich nicht erst Szenarien, wie Krankenhausaufenthalte in fernen Ländern vorstellen. Schon der dazu vergleichbar ‘harmlose’ Diebstahl Ihrer Wertsachen trägt sich (schon allein psychisch)  wesentlich leichter auf vier oder mehr Schultern; ganz zu schweigen von dem pragmatischen Nutzen, sich in einer Gruppe stets die Anderen verlassen zu können.


Trotzdem gilt: Risiken lassen sich auch in einer Gruppe nie vollends ausschliessen. Mit gesundem Menschenverstand und einer guten Informationslage über Land und Leute lassen sich auch im Falle des Alleinreisens potenzielle Gefahren von Vornherein minimieren.


2. Preis

Auch wenn hier mittlerweile einiges in Bewegung ist, sind die meisten Übernachtungsmöglichkeiten noch immer auf zwei Personen ausgerichtet. Wenn Sie demnach keine Abstriche in Fragen des Komforts machen möchten, werden Sie zwangsläufig etwas tiefer in die Tasche greifen müssen.


Tipp: Wenn Sie hingegen als Backpacker unterwegs sind, können Sie sich mit anderen Weggefährten über einen gewissen Teil der Strecke zusammentun, um beispielsweise bei Fahrt- oder Übernachtungskosten zu sparen.


3. Mangelndes Verständnis für Alleinreisende

In der westlichen Welt mögen Individualismus und Selbstentfaltung zwar vielfach zu den Tugenden unseres Zeitgeistes erhoben worden sein, doch von einem weltweiten Phänomen kann nicht die Rede sein. Gerade in Ländern, in dene die Familie einen ausgesprochen hohen Stellenwert besitzt, erscheint es vielen Menschen eher grotesk, weshalb man sich alleine auf eine Reise begibt. Eine Reihe eher unbequemer Fragen kann sich hieran heften: Nach dem (ev. ausgebliebenen) Ehestand, zu versorgenden Kindern etc.


Gerade alleinreisende Frauen sollten sich hierfür einige Antworten parat legen. Auch sollte nicht verschwiegen werden, dass alleinreisenden Frauen und Männern auch mitunter unterstellt wird, gerade allein zu reisen, um sich so auf sexuelle Abenteuer einzulassen.


4. Einsamkeit

In grösseren Städten und entlang touristischer Pfade wird man natürlich immer auf gleichgesinnte Menschen treffen, die einen anregenden Austausch ermöglichen. Doch wenn Sie hierbei nicht gerade einen Glückstreffer landen, wird das Gespräch mit einem langjährigen Freund oder Geliebten so schnell nichts ersetzen können. Doch gerade in Ausnahmesituation grösster Freude oder grössten Leids möchte man nicht erst (ggf. in einer anderen Sprache) nach Worten suchen, sondern wünscht sich einen direkten Draht, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Was mit Hostelbewohnern und kurzeitgen Reisebegleitern schon schwierig ist, gestaltet sich mit Einheimischen so noch schwieriger.


Und dennoch: Bedenken Sie, dass auch eine Reise ein Ende hat. Alles, was im Moment an Gedanken auch aus Ihnen heraus kommen möchte, ist schliesslich nicht in den Wind geschrieben, sondern lediglich verschoben.


Tipp: Halten Sie in einem Tagebuch Ihre Erlebnisse fest. Internet gibt es heutzutage weltweit in nahezu jeder annähernd grösseren Stadt, sodass Sie im Zweifelsfall mit Leichtigkeit über Skype und anderen Programmen Kontakt zu Familie und Verwandten haben können.